Porsche 911 Turbo S (992) im Test: Supersportler im Höhenflug

Der 911 Turbo S ist mit Allrad und 650 PS der stärkste und schnellste Porsche-Sportwagen. Wir haben ihn für den Fahrbericht als Cabrio die Serpentinen auf einen der höchsten und spektakulärsten Alpenpässe hochgejagt: dem Stilfser Joch auch bekannt unter seinem italienischen Namen Stelvio.

Fotos: Marcus Krüger

Mitte Juli, die beste Zeit, um mit einem leistungsstarken Cabrio einige Alpenpässe zu erobern. Allerdings dämpft ein Blick auf die Wetter-App die Vorfreude etwas: Temperaturen um den Gefrierpunkt und Schnee ist für das Stilfser Joch angesagt. Ganz so schlimm kommt es dann aber doch nicht. Die tiefhängenden Wolken sorgen für mystische Stimmung; hin und wieder blinzeln einige majestätische, weißbestäubte Gipfel durch. Wir schrauben uns lustvoll Kehre für Kehre die 2757 Meter zum zweithöchsten Pass der Alpen empor.

Die 650 PS des 6-Zylinder-Boxermotors im Heck lassen sich auf den kurzen Geraden erahnen, wenn der Turbo S nach vorn springt. Hin und wieder setzt leichter Regen ein, die rote Stoffmütze des 911 bleibt also erstmal geschlossen. Hier drinnen ist es auch so sehr gemütlich auf bequemen 18-fach verstellbaren Sitzen und umgeben vom luxuriösen zweifarbigen Leder in Bordeauxrot und Schwarz mit roten Kontrastnähten.

Porsche 911 Turbo S Cabrio 992 GT-Silbermetallic mit rotem Dach

Die Farbkombination GT-Silbermetallic und rotes Dach steht dem Porsche 911 Turbo S.

Auf der Passhöhe angekommen, reißt die Wolkendecke doch noch auf, die Sonne blinzelt durch. Wir parken und genießen die Aussicht. Der Blick schweift über Schneereste auf den Felswänden, Wolkenfetzen fliegen vor dem Ortler vorbei. Die Straße schlängelt sich dicht an den Berg geschmiegt in unzähligen Serpentinen hinauf. Nach einem Cappuccino im Hotel Passo Stelvio steigen wir wieder in den Über-911.

Wir fliegen die Serpentinen bergab, hin und wieder gebremst von einem entgegen- kommenden Bus oder LKW. Der Turbo macht sich ganz schön breit auf der engen Straße, er hat noch mal vier Zentimeter dickere Hinterbacken als der Vorgänger, natürlich wieder mit den charakteristischen Lufteinlässen für die zwei Turbos. Dafür liegt er aber auch sehr stabil in schnellen Kurven, und die 315er Hinterreifen bleiben fest mit dem Asphalt verzahnt. Der Allradantrieb hilft trotz der hecklastigen Auslegung beim Herausbeschleunigen kräftig mit, und auch die Einbaulage des Motors, wie immer beim 911 hinter der Hinterachse, bringt viel Gewicht und damit Traktion auf die Hinterräder.

Porsche 911 Turbo s Cabrio 992 Passstrasse

Wer braucht schon Sonne? Die Wolken sorgen für Drama beim Alpen-Trip mit dem Porsche 911 Turbo S.

Der neu entwickelte 3,8-Liter-Motor baut als 6-Zylinder-Boxer wieder sehr flach, um den Schwerpunkt des Wagens niedrig zu halten. Die zwei Turbolader mit variabler Turbinengeometrie fallen größer aus als im Vorgänger, drehen sich nun gegenläufig und blasen den Motor auf 650 PS und 800 Nm auf.

Als die Straße im Tal weniger kurvig wird, testen wir die Beschleunigung mit Launch-Control: Das Programm „Sport Plus“ über den Drehregler am Lenkrad auswählen, linker Fuß auf die Bremse, rechter Fuß voll aufs Gas, die Drehzahl einregeln lassen und dann den Fuß von der Bremse nehmen. Der Turbo S beamt sich nach vorn, die Köpfe knallen an die Kopfstütze, nach 2,8 Sekunden sind wir auf 100 km/h. Unfassbar, diese Beschleunigung mit Achterbahnkribbeln und Suchtpotential. Das können nicht mal ein Lamborghini Aventador SVJ oder ein McLaren Senna besser.

Serpentinen verspeist der Porsche 911 Turbo S (992) sehr freudvoll.

Auf dem Hinweg auf der unlimitierten Autobahn konnte der Turbo S seine Stärken ebenfalls voll ausspielen: Tritt man bei 200 aufs Gas, drückt einen die Beschleunigung immer noch in die Sitze. Und wir haben spielend Tacho 330 km/h erreicht, bevor der zu- nehmende Verkehr weitere Hochgeschwindigkeitsfahrten verhinderte. Dabei liegt der Turbo S dank der aktiven Aerodynamik mit ausgefahrenen Front- und Heckspoiler sicher auf der Straße, während der Fahrer sich wie Han Solo im Millennium Falken beim Sprung durch den Hyperraum fühlt, samt Tunnelblick mit verwischenden Sternen.

Beim Porsche 992 sind die Instrumente klar gezeichnet oder werden digital sehr scharf dargestellt. Die äußeren beiden der fünf Rundinstrumente mit weniger wichtigen Informationen verschwinden aber aus Fahrersicht hinterm Lenkrad. Dort befinden sich auch die Schaltwippen, die man benutzen kann, was auf der Landstraße hier in Südtirol richtig Spaß macht. So schnell, wie die Automatik des Direktschaltgetriebes am Ortsausgang von Prad vom achten in den zweiten Gang schaltet, bekommt man das als Fahrer aber nicht hin.

Porsche 911 Turbo S Cabrio 992 Cockpit

Modernes Cockpit mit analogem Drehzahlmesser, dessen Nadel dank 650 PS nach oben schnellt.

Auch sonst lässt sich alles über die schönen Tasten und den schnellen Touchscreen einfach bedienen, einige Funktionen wie die Abschaltung der Start-Stopp-Automatik muss man aber in den Menüs suchen. Der kleine Gangwahlhebel mag Geschmacksache sein, das Highlight ist aber unbestritten der Drehregler für die Fahrmodi mit dem Boost-Kopf. In Dörfern oder auf Schnellstraßen fährt sich der 911 dann im leisen und komfortabel-sportlich federnden Modus „Normal“ fast wie eine Limousine. In „Sport“ kann man auf gewundenen Straßen die Kraft und den Sound genießen, der aber immer noch dezent für diese Leistungsklasse ausfällt. Und in „Sport Plus“ knallt der Turbo S fast schmerzhaft die Gänge rein und hält ein hohes Drehzahlniveau, bei größtem Anpressdruck durch die Spoiler – passend für die Rennstrecke.

Porsche 911 Turbo S Cabrio 992 in Südtirol

Der Porsche 911 Turbo S Cabrio lauert darauf, wieder zu beschleunigen.

In Südtirol ist eher Genießen als Rasen angesagt und man kann es sich hier gutgehen und kulinarisch verwöhnen lassen. Das hat natürlich seinen Preis, was ebenfalls für unser Fahrzeug gilt: Der Testwagen kommt mit einigen teuren Extras wie dem klangvollen Surround-Soundsystem von Burmester und dem entbehrlichen Nachtsichtassistenten auf eine Viertelmillion Euro. Der Grundpreis liegt bei 230.000 Euro. Das klingt nach viel, ist aber angemessen für diesen Supersportwagen. Das dezente Äußere gefällt vielleicht nicht jedem: Die meisten Menschen können den Turbo S nicht vom normalen 911 Carrera, der die Hälfte kostet und rund 260 PS weniger hat, unterscheiden. Da fallen Ferrari 488 GTB oder Lamborghini Huracán schon mehr auf. Die kosten ähnlich viel, beschleunigen aber nicht so schnell auf 100 und sind vor allem nicht so alltagstauglich wie der wandelbare Turbo S.


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