Porsche 356 in der Antarktis: Auf Ketten durchs ewige Eis
Renée Brinkerhoff bereiste mit ihrem Porsche 356 alle sieben Kontinente. Auf der letzten Etappe fuhr sie mit dem extra auf Kettenantrieb umgerüsteten Oldtimer durch die Antarktis! Ihr Antrieb ist aber nicht nur Abenteuerlust: Mit ihrem „Project 356 World Rally Tour“ sammelt sie Spenden für Kinder in Not.
Fotos: Valkyrie Racing
Der stark modifizierte Porsche 356 wühlt sich durch die Schneemassen. Die Raupenketten schleudern glitzernde Eiskristalle in die klirrende Kälte der tiefstehenden Sonne. Knirschend geben die statt der Vorderräder montierten Kufen die Richtung vor. Der Vierzylinder-Boxer im Heck spielt dazu sein bekanntes Lied.
Dass der Sportwagen einmal in der Antarktis fahren würde, hätte sich bei der Montage 1956 in Zuffenhausen sicher niemand träumen lassen. Und doch hat es die im gleichen Jahr geborene US-Amerikanerin Renée Brinkerhoff geschafft: Allen Widrigkeiten zum Trotz geht ihr Traum in Erfüllung – den Oldtimer auf allen sieben Kontinenten gefahren zu haben, wo immer es möglich war, sogar bei Rennen und Rallyes.
Renée Brinkerhoff (links) und ihr Team mit dem kettengetriebenen Porsche 356 in der Antarktis.
Hintergrund: Das „Project 356 World Rally Tour“
Die vierfache Mutter Renée Brinkerhoff entschloss sich erst spät, Rallyes zu fahren. Als sie einen Porsche 356 sah, wusste sie sofort, mit welchem Wagen sie antreten wollte. 2011 kaufte sie ihren Traumwagen, einen 356 aus ihrem Geburtsjahr 1956, und wagte bereits im folgenden Jahr die Teilnahme am legendären Langstreckenrennen Carrera Panamericana in Mexiko. Im dritten Anlauf gewann sie in ihrer Klasse.
Mit der Zeit wurde mehr und mehr über sie und ihren klassischen Porsche-Rallye-Einsatz berichtet. Nach einem Unfall im Jahr 2015 – während der Panamericana musste sie einer Menschenmenge ausweichen, wobei der Oldtimer beschädigt wurde – überlegte sie, wie sie ihre Reichweite und ihre abenteuerlichen Rallyes für einen guten Zweck nutzen könnte. Neben ihrem Rennstall Valkyrie Racing gründete sie Valkyrie Gives und sammelt seitdem Spenden, um Opfern von Kinderhandel und Kindesmissbrauch zu helfen. Das Ziel: eine Million US-Dollar zu sammeln.
Mit der „Project 356 World Rally Tour“ wollte sie auf allen sieben Kontinenten an den härtesten und herausforderndsten Rennen teilnehmen. Das britische Unternehmen Tuthill, spezialisiert auf Rallye-Umbauten, bereitete ihren Porsche 356 auf die Strapazen vor.
Nach der Carrera Panamericana in Nordamerika fuhr sie in den folgenden Jahren:
die Targa Tasmania in Australien,
die Rally Caminos Del Inca, die über bis zu 4.500 Meter hohe Andenpässe in Südamerika führt,
die legendäre Peking-Paris-Rallye, die über 15.000 Kilometer und 36 Tage durch Asien und Europa verläuft,
und die East African Safari Classic Rally auf dem afrikanischen Kontinent.
Nach all den Abenteuern, Entbehrungen, Gefahren und unzähligen Reparaturen des Rallye-Porsche fehlte nur noch der siebte und lebensfeindlichste Kontinent – die Antarktis.
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Die größte Herausforderung: Porsche 356 in der Antarktis
Die Antarktis ist der einzige Kontinent, der in der Menschheitsgeschichte nie besiedelt wurde. Kein Wunder – selbst im Sommer liegen die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, und oft gibt es Stürme mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Infrastruktur ist quasi nicht vorhanden: Es gibt keine Straßen, Tankstellen, Hotels, Restaurants oder Mobilfunknetz. Falls etwas passieren sollte, ist das nächste Krankenhaus 2.000 Kilometer entfernt und nur per Flugzeug erreichbar.
In der Antarktis war der Expeditions-Porsche 356 im Eis auf sich allein gestellt.
Zusätzlich zu den extremen Temperaturen erschweren das unebene Gelände und tückische Gletscherspalten das Fortkommen. Mit einem über 60 Jahre alten Sportwagen diese Bedingungen zu meistern, ist nicht nur eine ambitionierte Porsche-Expedition, sondern pure Kühnheit.
Um den Porsche 356 auf die Herausforderungen vorzubereiten, wurde er von Fahrzeugingenieur Kieron Bradley und Tuthill in England umfassend umgebaut:
Die hinteren Räder wurden durch einen Kettenantrieb ersetzt.
Vorne installierten die Techniker Kufen statt Rädern.
Ein Gletscherspaltenbügel wurde montiert, um zu verhindern, dass das Fahrzeug in tiefe Spalten fällt.
Ein neuer Überrollkäfig mit Notausstieg über das Heckfenster wurde eingebaut.
Die Bodenfreiheit wurde stark vergrößert.
Ein kompressorbetriebenes Hebesack-System kam an Bord, um den Wagen aus Tiefschnee zu befreien.
Der Umbau dauerte zwei Jahre. Ziel war es, mit dem modifizierten Porsche 356 genau 356 Meilen (573 Kilometer) in der Antarktis zurückzulegen.
Nach zweijähriger Umbauphase ist der Porsche 356 in der Antarktis und bereit, 356 Meilen auf Ketten zurückzulegen.
Defekte und Probleme des Porsche 356 im Eis
Als das Team mit dem 356 am Union-Gletscher in der Antarktis ankam, waren die Bedingungen alles andere als optimal: Es war außergewöhnlich kalt für die Jahreszeit, und schlechtes Wetter hatte verhindert, die geplanten Treibstofflager entlang der Strecke anzulegen. Daher wurde entschieden, die 356 Meilen in Tagesetappen vom Camp aus zurückzulegen.
Doch schon am ersten Tag fehlte dem Motor Leistung. Noch bevor die ersten Kilometer zurückgelegt waren, begann die Fehlersuche. Nach einigen Stunden wurde der vereiste Luftfilter als Ursache ausgemacht und ausgetauscht – danach konnte das Team die ersten 56 Meilen absolvieren.
Der Porsche 356 A von 1956 wurde zum Antarktis-Expeditions-Mobil umgerüstet.
In den folgenden Tagen traten immer wieder Probleme auf:
Der Vergaser setzte bei den Minusgraden aus.
Die Zündkerzen mussten im Schneesturm gewechselt werden.
Die vordere Aufhängung hielt den Erschütterungen nicht stand – Haltebolzen brachen mehrfach und mussten im Eis ersetzt werden.
Auch das Wetter stellte eine Herausforderung dar: In nebligen „Whiteout“-Bedingungen war keine Sicht möglich – Brinkerhoff konnte weder die Strecke vor sich noch sonst etwas erkennen. Sie musste extrem langsam fahren, und oft erreichte der Wagen erst spät abends das Camp.
Nach einer Woche war es dann soweit: Am 15. Dezember 2021 erreichte das Team das Ziel – 356 Meilen hatte der Porsche in der Antarktis zurückgelegt.
Renée Brinkerhoff und ihre Tochter Christina freuen sich über die erfolgreiche Porsche-356-Antarktis-Expedition.
Ein ambitioniertes Projekt und ein unverwüstlicher Porsche 356
Dass ein über 60 Jahre alter Porsche 356 auf Rallyes weltweit bestehen kann, ist schon beeindruckend. Doch ihn in der Antarktis zu fahren – das ist eine völlig andere Liga. Brinkerhoff hat Mut, Energie und Zeit in das Projekt investiert und den Porsche 356 extrem aufwendig umbauen lassen.
Am Ende hat sich alles ausgezahlt: Trotz aller Widrigkeiten und technischen Probleme hat das Team das Ziel erreicht und 356 Meilen auf dem siebten Kontinent im ewigen Eis zurückgelegt.
Der Porsche 356 hat eindrucksvoll bewiesen, wie robust und zuverlässig er ist. Renée Brinkerhoff hat sich nicht nur einen Traum mit ihrem Traumwagen erfüllt, sondern dabei auch über 600.000 Dollar für den guten Zweck gesammelt.
Was haltet ihr von diesem Wahnsinns-Projekt? Würdet ihr den 356 in die Antarktis schicken? Schreibt es in die Kommentare!
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